Geschichte, Naturschönheiten und Kulinarik vom Feinsten
Lange Zeit war ich alleine, wenn ich von der Normandie und der Bretagne schwärmte. Heute ist der Nordwesten von Frankreich zu einem beliebten Reiseziel geworden. Die wunderschönen Städtchen, die kunstvollen Brücken in der Normandie bei Honfleur, die spannenden D-Day-Küstenabschnitte, das relativ rauhe Klima im Westen und Norden der Bretagne oder das wunderbare Essen überzeugen immer mehr (Wohnmobil-)Touristen. Und im Loiretal bestaunen wir auf der Rückreise die Prunkschlösser aus vergangenen Zeiten.
Wie jedes Mal führt uns die Reise zu Beginn nach Savigny-les-Beaunes. Die Strecke von Bern ins Weingebiet bei Beaune ist zum Start einer Reise ein guter Einstieg. Ein kleiner, aber sehr gepflegter Campingplatz (Camping Les Premiers Prés, direkt hinter dem Städtchen) lädt zur Uebernachtung. Savigny-lès-Beaune ist eine französische Gemeinde mit 1315 Einwohnern und einer Fläche von 36 km². Sie liegt im nördlichen Teil der Côte de Beaune, etwa dreieinhalb Kilometer von Beaune entfernt und gehört zum Département Côte-d’Or. Auf dem Camping erhalten wir die ersten feinen und edlen Tropfen der örtlichen Weinkeller zu kosten. Die Spitzenweine passen zu allen Speisen oder einfach so.

Am zweiten Tag fahren wir auf der Autobahn durch ganz Mittel-Frankreich und umfahren Paris Richtung Nordwesten. Unser Ziel ist Honfleur, das schmucke Städtchen an der Grenze zur Haute Normandie an der Seinemündung in den Ärmelkanal. Natürlich fahren wir nicht direkt ins Städtchen, sondern überqueren zuerst die Pont de Tancarville (Länge 1420 Meter) und über die Pont de Normandie (Länge2141 Meter) kehren wir zurück nach Honfleur. Die 1995 eröffnete Brücke ist eine Schrägseilbrücke, die mit 856 Metern die grösste Spannweite in Europa besitzt. Das grossartige Bauwerk Pont de Normandie muss ein Wohnmobilfahrer mindestens einmal überquert haben. Die Westwinde zu spüren, die Höhe zu erleben sind einmalige Erlebnisse. Und die Wohnmobile sind auf der Brücke den Wetterkabriolen sehr stark ausgesetzt.

Wir fahren direkt zum Camping La Briquerie oberhalb von Honfleur in Équemauville. Nach der langen Fahrt mag keiner mehr in die Stadt hinunter und wir geniessen das Camperleben auf dem wunderschönen Platz mit schönen Fleischstücken auf dem Grill.
Der nächste Tag ist reserviert für den Besuch von Honfleur und der Pont de Normandie, die man auch zu Fuss besuchen kann. Nach dem ersten Rundgang durch die Hafenpromenade, sind wir auf dem Schiff und unterqueren diesmal die Pont de Normandie. Vom Wasser her ist das riesige Baumwerk noch imposanter als von oben. Zurück in Honfleur geht es zum ersten Mal los mit kulinarischen Köstlichkeiten aus der Region: Ganz frische Moules à la crème aus dem Atlantik und zum Dessert eine süsse Crêpe und im Calvadosland natürlich mit einem Calvados. Die Besitzerin der Boutique des Campingplatzes, welche uns am Morgen in die Stadt führte, weil kein Taxi verfügbar war, holt uns gegen Abend ab. Wir müssen oder besser gesagt dürfen dafür ihren Calvados artisanal, der nicht in einer Fabrik produziert wurde, kosten. Welche Ehre!
Honfleur – die Perle des Norden
Die Stadt war jahrhundertelang ein relativ unbedeutender Hafen im Vergleich mit Harfleur auf dem anderen Ufer der Seinemündung. Mit der Zeit hat sich das Städtchen mit seinen pittoresken, schmalen und sechs Stockwerke hohen Häusern und der Lieutenance (dem Rest einer Befestigungsanlage) am Vieux Bassin (Altes Hafenbecken) aus dem 17. Jahrhundert zu einem der reizvollsten Orte der Normandie und vielbesuchten touristischen Anziehungspunkt entwickelt. Honfleur liegt im Département Calvados und hat heute rund 7800 Einwohner.
Im 19. Jahrhundert wurde Honfleur zum Zentrum künstlerischer Aktivitäten. Eugène Boudin, der Maler der Küstenlandschaften, wurde 1824 hier geboren. Auch heute noch stehen die Maler am Kai von Honfleur, und in den Greniers à Sel, zwei Lagerhäusern, die 1670 östlich des Vieux Bassin in l’Enclos, der im 13. Jahrhundert errichteten Verteidigungsanlage der Stadt zum Zweck der Salzlagerung, erbaut wurden, werden Ausstellungen zeitgenössischer Künstler organisiert.
Honfleur ist aber auch der Geburtsort des französischen Komponisten Erik Satie. Maler wie Courbet, Sisley, Jongkind, Claude Monet, Pissarro, Renoir und Cézanne kamen nach Honfleur und trafen sich oft in der Ferme St-Siméon, einem Bauernhof, der als eine der Geburtsstätten des Impressionismus gilt und heute ein stilvolles Hotel ist.
Trouvillle und Deauville als Zwischenstation
Die beiden Städte Trouville und Deauville, nicht weit Richtung Westen von Honfleur sind unsere nächste Zwischenstation. Trouville und Deauvile sind französische Seebäder und liegen ebenfalls im Departement Calvados. Im Gegensatz zu Deauville, einem Ort in unmittelbarer Nachbarschaft am anderen Ufer der Touques und 1859 vom Architekten Brunet auf dem Reißbrett entworfen, ist Trouville ein historisch gewachsener Fischerhafen. Während Deauville mit Regatten und Pferderennen schon früh Urlauber anlockte und mit einer Eisenbahnverbindung von Paris aufwartete und zum Beispiel in der Serie „Rivalen der Rennbahn“ eine wchtige Rolle spielte, konnte Trouville erst die Aufmerksamkeit der Städter auf sich lenken, als Eugène Cornuché im ausgehenden 19. Jahrhundert dort ein Spielcasino eröffnete. Sukzessive wurde der Ort immer beliebter, wovon zahlreiche Prachtbauten der Jahrhundertwende zeugen. Das Spielcasino ist noch heute einen Besuch wert.
Wir trinken zum Apéro einen Cidre, der Apfelschaumwein aus der Normandie, welchen auch Kühe trinken um den Geschmack des Fleisches zu verbessern… Für das Nachtessen wird vorgesorgt. Wir decken uns auf dem Fischmarkt ein mit Delikatessen aus dem Meer. Nach einem Abstecher zum „Chàteau de Breuil“, wo wir in gepflegter Umgebung fantastische Calvados geniessen und auch kaufen, geht die Fahrt am Nachmittag weiter, der Küste entlang bis nach Arromanches-les-Bains.
Arromanches – der Hafen für den Nachschub
Bei den alliierten Landungen in der Normandie während des Zweiten Weltkriegs 1944 lag Arromanches im Landeabschnitt Gold Beach. Nach der Landung wurde vor der Küste einer der beiden künstlichen Häfen (Mulberry B) gebaut, über den Truppen und Nachschub an Land gebracht wurden. Reste dieses Hafens sind heute noch zu besichtigen. Das Gedenkmuseum zur Landung am D-Day und das historische Museum ‚Arromanches 360 Grad’ sind für Geschichtsinteressierte ein Muss. Im 360 Grad-Kino wird die traurige Geschichte der Landung in der Normandie eindrücklich dargestellt. Die Mulberry-Häfen waren zwei im Zweiten Weltkrieg von den Alliierten errichtete künstliche Nachschubhäfen an der Küste der Normandie (Département Calvados). Entworfen wurden die Häfen von den beiden Ingenieuren Ove Arup und Ronald Jenkins. In Arromanches liegt der Hafen Mulberry B. Dieser britische Hafen Mulberry „B“ ging kurz nach dem D-Day voll in Betrieb. Insgesamt konnten hier bis zum 31. Oktober 628’000 Tonnen Nachschubgüter, 40’000 Fahrzeuge und 220’000 Soldaten an Land gebracht werden. Logistisch und bautechnisch wurde hier das Maximum aus den Möglichkeiten geschöpft. Heute sind die alten Betonblöcke Mahnmale aus der D-Day-Zeit. Der Campingplatz von Arromanches hat eine Toplage. Mit einem Fünfminuten-Spaziergang erreichen wir den Hafen und das Dorfzentrum.
Amerikanischer Friedhof und Pointe du Hoc
Die neuere Geschichte begleitet uns am nächsten Tag gleich weiter. Wir besuchen den amerikanischen Friedhof bei Colleville-sur-Mer (mit Blick über die Ohama Beach, wo die meisten Soldaten ihr Leben liessen). Auf dem Friedhof sind die sterblichen Ueberreste von 9’387 in der Schlacht um die Normandie gefallenen, amerikanischen Soldaten. Der amerikanische Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer ist der berühmteste an den Krieg erinnernde Friedhof in der Normandie. Lange Reihen weißer marmorner Kreuze und Davidsterne symbolisieren die Opfer, die von den Völkern der Alliierten – und hier speziell der Vereinigten Staaten von Amerika – für unsere Freiheit gebracht wurden. Der Friedhof ist nicht zuletzt deshalb ein außergewöhnlicher Ort, weil er sich an einer Stelle befindet, von der man einen eindrucksvollen Blick über den Küstenabschnitt Omaha Beach hat, wo die Amerikaner ihre größten Verluste zu beklagen hatten. Nach dem eindrücklichen Spaziergang durch den Friedhof fahren wir zur Pointe du Hoc, der neuralgische Punkt am D-Day. Die Pointe du Hoc ist ein 500 Meter langer und etwa 30 Meter hoher Abschnitt an der Steilküste an der Calvadosküste in der Normandie in Frankreich, etwa 6,4 Kilometer von dem von den Alliierten Omaha Beach getauften Strandabschnitt entfernt. Am D-Day, während der Operation Overlord im Zweiten Weltkrieg, schaltete ein US-amerikanisches Ranger-Bataillon bei der Pointe du Hoc die deutsche Stellungen aus.
Unsere Tagesreise ist noch nicht zu Ende. Wir fahren im späteren Nachmittag via Isigny-sur-mer, wo grosse Camembertkäse-Produktionsstätten zuhause sind, in die Utah Beach. Die Utah Beach bringt den Geschichtsinteressierten viele weitere Informationen zur Landung in der Normandie. Hier befindet sich auch ein grosses Flugzeug-Museum. Utah Beach war bei der Landung der Alliierten in der Normandie im Zweiten Weltkrieg der Deckname für einen französischen Küstenabschnitt von knapp fünf Kilometern Länge zwischen Pouppeville und La Madeleine am Fuß der Halbinsel Cotentin, in der Landschaft Plain, im Département Manche. Es war der am weitesten westlich gelegene Landungsabschnitt, in dessen Gebiet nach den ersten Planungen kein Landungsangriff vorgesehen war. Da die Alliierten jedoch möglichst schnell nach dem Beginn der Landung einen Tiefwasserhafen benötigten – und Cherbourg an der Nordspitze der Halbinsel am geeignetsten erschien –, wurde Utah Beach in den Invasionsplan aufgenommen.

Heute hat die Utah Beach für die vielen Touristen, die jährlich die Gegend besuchen einen tollen Campingplatz direkt hinter der Küstenstrasse. Hier bleiben wir zwei Tage und geniessen die tolle Meerküste, die im Gegensatz zu Arromanches und der Ohama Beach ganz flach ist. Heute gehört der Küstenabschnitt den Trabpferden, welche hier trainiert werden und die Jugend spielt auf den riesigen Stränden während die Austernfischer bei Ebbe die Säcke abführen. Die Utah Beach ist eine wichtige Austernküste in der Normandie.
Sainte-Mère-Eglise und der Fallschirmspringer
Bei der Weiterfahrt besuchen wir die Stadt Sainte-Mère-Eglise Die kleine Stadt erhielt ihre Berühmtheit wegen des amerikanischem Fallschirmspringer John Steele vom 505. Fallschirmjägerregiment der 82. Luftlandedivision. Ihm geschah ein grosses Missgeschick:
Er blieb mit seinem Fallschirm an einem der Ecktürme des Kirchturms hängen und konnte sich nicht befreien, da der Kirchplatz heftig umkämpft war. Außer ihm blieb noch ein zweiter Soldat, der 17-Jährige Ken Russell, an der Kirche hängen. Von dort oben mussten sie mit ansehen, wie ihre Kameraden erschossen wurden. Russell berichtete später, dass Sergeant John Ray sie retten wollte, als er bemerkte, dass es ein deutscher Soldat auf sie abgesehen hatte. Der deutsche Soldat schoss Ray in den Bauch. Als dieser zu Boden fiel, schoss er dem deutschen Soldaten in den Hinterkopf und konnte damit die Leben der beiden Fallschirmjäger Steele und Russell retten. Neben der berühmten Kirche mit der Puppe John Steele besuchen wir das D-Day-Museum mit weiteren Flugzeugen aus dem Krieg.
Wir haben zwar Sommer, das Wetter macht aber nicht mehr richtig mit. Es ist sehr kalt und wir sind froh, warme (Regen-)Kleider bei uns zu haben. Nach einem warmen Kaffee im Bistro neben der Kirche machen wir uns auf den Weg nach Mont-Saint-Michel. Wir durchqueren bei Regen und Nebel die Halbinsel bis wir bereits ab Avranches die alte Klosterburg auf dem Meer sehen. Le Mont-Saint-Michel ist eine französische Gemeinde mit 30 Einwohnern (Stand 1. Januar 2016) im Département Manche in der Region Normandie. Die Gemeinde besteht aus der felsigen Insel Mont-Saint-Michel in der Bucht des Mont-Saint-Michel im Wattenmeer der Normandie und Anteilen am Festland. Die Insel ist etwa einen Kilometer von der Küste entfernt und nur ca. 55.000 m² groß (Umfang ca. 830 Meter), die Gemeindefläche beläuft sich auf insgesamt 4 km². In der Nähe sind die Mündung des Couesnon, die Stadt Avranches und die Grenze zur Bretagne. Die ohne Bauten 92 Meter hohe Insel ist bekannt durch die jahrhundertalte Kloster-Abtei, welche die kleine Insel dominiert. Jährlich wird Mont-Saint-Michel von zirka 2,5 Millionen Menschen besucht. Früher konnten die Touristen und wir mit den Wohnmobilen auf der schmalen Strasse vom Festland fast zum Starttor fahren, Heute ist in einem Grossprojekt die Insel nur noch mit einem speziellen Bus oder zu Fuss erreichbar. Auf dem Landteil der Gemeinde präsentieren sich Hotels und auch ein Camping-Platz fürs Wohnmobil. In die Stadt kommt nur noch, wer angemeldet ist und einen Code besitzt, ansonsten bleibt er auf der riesigen Parkplatzanlage hängen. Der Wirt des Restaurants direkt am Parkplatz hilft uns beim Mittagessen weiter und so können wir ins kleine Zentrum zum Camping fahren. Dem Regen zum Trotz fahren wir die Store aus und grillieren die Bratwürste so am Trockenen.
Mont-Saint-Michel zeigt Kunstbauten aus dem Mittelalter
Mit dem neuen Morgen kommt die Sonne zurück und wir besuchen die Stadt auf dem Felsen im Meer. Im 8. Jahrhundert wurde auf dem Felsen der erste Sakralbau erstellt. Die Insel trug damals noch den Namen Mont-Tombe. Nach der Legende erschien 708 der Erzengel Michael dem Bischof Aubert von Avranches mit dem Auftrag zum Bau einer Kirche auf der Felseninsel. Aber der Bischof folgte auch der mehrfach wiederholten Aufforderung nicht, bis der Engel ihm mit seinem Finger ein Loch in den Schädel brannte (Der Schädel von Aubert mit dem Loch wird in der Kirche Saint-Gervais in Avranches aufbewahrt; in Wahrheit dürfte es sich jedoch um einen trepanierten Schädel aus dem Mittelalter handeln.). Im Zeitraum 708/709 errichtete der heilige Aubert dann ein erstes Sanktuarium zu Ehren des heiligen Michael. 965/966 gründete eine Gruppe von Benediktinermönchen das Kloster. In den folgenden Jahrhunderten finanzierten Herzöge und Könige die großartige Architektur des Klosters. 1017 begann Abt Hildebert II. mit dem Bau der zentralen Klosteranlage, die erst 1520 fertiggestellt sein sollte. Von 1023 bis 1084 wurde eine erste romanische Abteikirche errichtet. Während Jahrhunderten war der Mont zu einem herausragenden Ziel für Pilger in Europa geworden, das Menschen vom ganzen Kontinent anzog, und er hatte als Kloster mit Skriptorium weit über die Normandie hinaus Wirkung entfaltet. Jetzt aber sprach niemand mehr vom Kloster als spirituellem und als Pilgerort; dem Mont haftete nur noch der Ruf eines der abscheulichsten Gefängnisse Frankreichs an, und deshalb wurde er jetzt in jeder Beziehung gemieden. Damit hatte der Mont seinen Tiefpunkt erreicht; viele Bauten zerfielen oder waren teilweise bereits Ruinen, die Bevölkerung der Ortschaft war total verarmt, und der Fortbestand des Mont insgesamt war akut gefährdet.

Zu diesem Zeitpunkt, ab 1836, begann sich eine Bewegung um Victor Hugo für die Wiederherstellung des ihrer Meinung nach architektonischen Schatzes von nationalem Rang einzusetzen. Die Romantik hatte den Mont entdeckt.
Ursprünglich war die Insel nur bei Niedrigwasser von der Küste zu erreichen. Um 1877 wurde dann ein Damm gebaut, über den eine Straße die Insel gezeitenunabhängig mit der Küste verband.
Durch den Bau des Dammes, der die natürlichen Meeresströmungen unterbrach, versandete die Bucht immer mehr. Heute werden die Graslandschaften wieder ausgebaggert, Der Mont ist wieder von Wasser umgeben und heute mit einer Stahlbrücke mit dem Festland verbunden. Die Arbeiten kosten total 164 Millionen Euro. Die Arbeiten werden vom französischen Staat kontrolliert, geplant und ausgeführt. Mont-Saint-Michel gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Nach dem Besuch der Abtei geniessen wir einen Teller Moules in einem Restaurant an der Stadtmauer bevor wir Richtung Cancale weiterfahren.
Cancale und die Austern
Auf der Halbinsel von Cancale wollen wir auf dem Camping über der Klippe übernachten. Bevor wir ins Nachquartier gehen, besuchen wir die schöne Stadt, die wegen ihrer Austernzucht berühmt ist. Cancale bezeichnet sich selbst als die „Austernhauptstadt“ der Bretagne. Hier werden in der Gezeitenzone Austern gezüchtet, und zwar die Pazifische Felsenauster (rund 5’000 t) und die seltenere Europäische Auster (rund 1’000 t). Beide Sorten genießen bei Kennern einen guten Ruf. Die Austernzucht lässt sich in Cancale bis ins 13.Jahrhundert zurückverfolgen und die Besucher erhalten im Austernmuseum (La Ferme marine) weitere Informationen zu der Austern. Die Austern bringen der Stadt einen Umsatz von über 4,5 Millionen Euro. Das ozeanische Klima bringt Cancale und auch der ganzen Umgebung wie Saint-Malo vergleichsweise geringe Temperaturschwankungen zwischen Winter und Sommer, daher eignet sich das Gebiet nicht nur im Sommer als Reiseziel. Cancale liegt mit seinen durchschnittlich 1’700 Sonnenstunden über den Messwerten von Paris und vielen Messstationen in der Schweiz.
Saint Malo und Dinard
Andertags geht unsere Reise weiter nach Saint Malo. Heute hat die Korsarenstadt rund 47’000 Einwohner. Die Stadt an der Côte d’Émeraude (deutsch Smaragd-Küste) ist heute ein grosser Tourismusort geworden. Die Stadt wurde im August 1944, weil sich der deutsche Festungskommandant Oberst August von Aulock weigerte, aufzugeben, von den Allierten fast komplett zerbombt und rund 85% der Altstadt „intro muros“ wurden dem Erdboden gleichgemacht. Die ganze Altstadt wurde nach alten Plänen, Skizzen und Fotografien wieder aufgebaut. Die Wehrmauer stammt aus dem 12. Jahrhundert, die der Stadt lange Zeit Sicherheit und Unabhängigkeit gab. Gefürchtet war Saint Malo auch bei holländischen und englischen Handelsschiffen: Die Korsaren, vorallem Robert Surcouf, gingen an der Küste auf Beutefang. Die Korsaren waren in Saint Malo zuhause, Robert Surcouf setzte sich bereits mit 35 Jahren zur Ruhe, da seine Beutezüge so erfolgreich waren.
Als erstes machen wir in Saint Malo den Rundgang auf der Wehrmauer rings um die Altstadt. Zum Mittagessen lädt Hans zum Meeresdinner ein: Pia und ich geniessen eine „Plat Royale“ mit allen Meergetieren, welche täglich von den Fischern nach Hause gebraucht werden. Anschliessend besuchen wir die Kirche Saint Vincent mittig der Alstadt „intro muros“ und shoppen nachmittags in den vielen schönen Boutiquen und Läden.
Auf der Fahrt nach Dinard, wo wir auf dem schön gelegenen Camping Municipal übernachten wollen, staunen wir über das Gezeitenkraftwerk am Fluss „La Rance“.
In der Bucht von Saint-Malo gibt es einen der größten Gezeitenunterschiede Europas: Bis zu zwölf Meter Differenz liegen zwischen Niedrigwasser und Hochwasser. Drei der vorgelagerten Inseln Grand Bé und Petit Bé sowie das Fort National (Festungsbau durch Vauban 1689) sind daher bei Niedrigwasser zu Fuß erreichbar. In der Flussmündung der Rance befindet sich mit der Usine marémotrice de la Rance seit 1966 das weltweit erste und bis 2011 größte Gezeitenkraftwerk der Welt.
Auf unserer kurzen Etappe geht die Reise weiter bis nach Dinard. Das Städtchen mit 9000 Einwohnern wird oft Nizza des Nordens und Perle der Smaragdküste genannt. Es wurde im 19. Jahrhundert zum Badeort wohlhabender Engländer, was in Form zahlreicher Villen englischer Architektur mit Veranda und Schiebefenstern bis heute Spuren hinterlassen hat. In den 1880er Jahren war Dinard das erste Seebad Frankreichs. Unser Camping in der Bucht liegt wunderschön zwischen den steilen Felsen. Immer neue Buchten ergeben sich je nach Stand des Wassers (Gezeiten). Der Atlantik fasziniert durch seine Farben (je nach Sonnenstand) und die Klarheit des Wassers. Die grossen Parzellen überzeugen so wie auch der traumhafte Sonnenuntergang. Der Abendspaziergang in der Bucht wird zum einmaligen Erlebnis.
Via Cap Frehel in den Westen nach Plomodiern
Wir fahren weiter Richtung Westen und wollen am Cap Frehel kurz halt machen. Das Cap Fréhel ist eine Landzunge an der Côte d’Émeraude in der nordöstlichen Bretagne und bildet den nördlichsten Punkt des felsigen Vorgebirges, das zwischen den Städten Saint-Malo und Saint-Brieuc in den Golf von Saint-Malo hineinragt. Die Klippen haben eine Höhe von bis zum 70 Meter und fallen steil ins Wasser hinab. Auf dem Cap stehen zwei Leuchttürme, die über dem Atlantik von weither sichtbar sind. Sie bieten auch eine gut Sicht auf die normannische Halbinsel. Nach unserem Rundspaziergang geht es weiter. Uber Saint Brieuc geht es durch den bretonischen Naturpark in den Camping L’iroise bei Plomodiern an der Westküste in eine wunderschöne Bucht am Atlantik. Hier bleiben wir ein paar Tage. Wir wollen der Küste entlang spazieren. Auch Baden ist angesagt, obschon der Atlantik sehr frisch ist. Im Restaurant Oasis am Strand geniessen wir wieder Muscheln und Meeresfrüchte in bester Qualität und Frische.
Das Ende der bretonischen Welt
Wir besuchen die Pointe du Raz. Die Pointe du Raz (bret. Beg ar Raz) ist ein felsiges Kap, das den Abschluss des Cap Sizun bildet und sich im Westen der Gemeinde Plogoff im Département Finistère in der Bretagne befindet. Die schroffe Klippe, die mit einer Höhendifferenz von 72 Metern ins Meer hinausragt, ist eine der charakteristischsten Pointes der bretonischen Küste. Sie ist ein touristischer Anziehungspunkt von großer internationaler Bekanntheit. Die allzu starke Frequentierung durch Touristen hat strenge Umweltschutzmaßnahmen erfordert, um den hauptsächlich aus Heide bestehenden Bewuchs wiederherzustellen. Heute können die Touristen die Pointe du Raz nur noch mit einem Shuttlebus besuchen, der ab dem zurückversetzten Parkplatz auf die Klippe führt. Wir geniessen das Meer und die wilde Gegend auf der Terrasse des Relais de la Pointe du Van, zirka drei Kilometer neben der Pointe du Raz bei einem kleinen Imbiss und guter Sicht auf die berühmte Klippe, die lange Zeit als Ende der Welt galt und die Leute noch heute in Staunen versetzt.
Die Steinfelder von Carnac
Unsere Reise geht weiter, der Küste entlang nach Carnac. Dort besuchen wir die Steinfelder von Carnac. In dieser Art sind sie die grössten Megalith-Anlagen der Welt. Die Menhire (aufrechtstehende grosse Steine) wurden ca. 4500 Jahre vor unserer Zeitrechnung aufgestellt. Warum diese Steine so aufgestellt wurden, ist den Historikern noch heute sehr unklar. Ueber den Sinn und Zweck kann nur spekuliert werden. Auf dem grössten Feld unweit von Carnac haben die steinzeitlichen Bewohner fast 3000 Steine aufgestellt. Laut dem Ärchologen Serge Cassen sind die Steine als eine Verteidigungslinie gegen übernatürliche Gefahren, die vom Meer ausgehen, aufgestellt worden. Wir spazieren durch die Steinfelder und wundern uns über die riesigen Zeugen alter Zeit, welche nur mit Menschenkraft und ohne Maschinen aufgestellt worden sind. Am Nachmittag geht die Reise weiter und gegen Abend erreichen wir dem Campingplatz I’lle d’Or in Amboise.
Ab ins Loiretal zu Schlössern und Burgen
Zwischen den zwei Armen des Loire-Flusses, bietet der Campingplatz in l’Ile d’Or eine einzigartige Kombination, in der Natur und Geschichte sich zu ihrem Vergnügen vereinen. Die Stadt im Herzen des Loiretals bildet der Ausgangspunkt für unsere letzten Tage der Reise durch den Nordwesten Frankreichs. Wir wollen ausgewählte Schlösser besuchen. Das königlichen Schloss von Amboise ist das erste Monument aus dem Mittelalter, welches wir bestaunen. Am nächsten Tag geht unsere Reise weiter zum Schloss Chenonceau, dessen Galerie auf dem Fluss Cher erstellt wurde. Das Schloss selber, welches auch Schloss der Damen genannt wird, welche das Schicksal des Schlosses bestimmten, steht am nördlichen Ufer des Flusses. Heute besuchen rund 800’000 Besucher die Schlossanlagen mit den traumhaften Gärten.

Das Schloss wurde im 13. Jahrhundert zum ersten Mal schriftlich erwähnt. Nachdem es in den ersten Jahren in Privatbesitz war, kam es 1535 als Jagdschloss an die Königsfamilie. Chenonceau wurde zur Heimat einer Mätresse des Königs Heinrich II., nach dessen Tod vertrieb seine Frau Katharina von Medici die unerwünschte Konkurrentin ins Schloss Chaumont ungefähr fünfzig Kilometer östlich von Chenonceau. Wir fahren weiter eben nach Chaumont-sur-Loire. Dort machen wir einen kurzen Mittagsrast, bevor wir nach Muides-sur-Loire kommen und uns für eine Nacht installieren. Es ist schön warm und wir geniessen das Bad im wunderschönen Pool des Platzes. Unsere Stellplätze sind riesig. Der Platz wäre ein idealer Ort, wenn man nur das Loiretal bereisen will und Tagesausflüge machen möchte.

Am nächsten Tag geht es zum Schloss Chambord ganz in der Nähe. Das Schloss Chambord ist das grösste und prächtigste aller Schlösser im Loiretal. König Franz I. baute das Prunk- und Jagdschloss in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Baumeister des Schlosses sind vermutlich Leonardo da Vinci als Ideengeber und Domenico da Cortona, der die Baupläne erstellte. Auch die riesige bis zum Dach durchlaufende doppelläufige Treppe soll nach Plänen und Ideen des Leonadro da Vincis gebaut worden sein.
Bis zum Tode des Bauherren im Jahre 1547 arbeitete man links und rechts an zwei Erweiterungsflügeln, nun mit separaten königlichen Wohnbereichen, die aber nicht mehr vollendet wurden. Die Bauarbeiten waren sehr aufwändig: 1’800 Arbeiter trieben Holzpfähle als Fundamente fünf Meter tief in den sumpfigen Boden. Maurer schichteten über 15 Jahre lang Stein auf Stein. Das Schloss zählt sechs hohe Türme, 440 Räume, 365 Feuerstellen und 84 Treppen. Insgesamt dauerte die Bauzeit 25 Jahre – mit Umbauten und Nachbesserung aber noch länger. Das Schloss steht um Zentrum eines riesigen Parkes, der mit einer 32 Kilometer langen Mauer umgeben ist. In diesem Park wurden im 16. Bis 18. Jahrhundert Treibjagden inszeniert, bei denen die Tiere (Wildschweine und Rehe) zu Tode gehetzt wurden.
Nach der eindrücklichen Besichtigung des Prunkschlosses probieren wir einen heissen Camembertkäse mit einem Salatbuffet in einem Restaurant beim Schloss. Wir sind nicht mehr am Meer, die Menukarte ist anders…
Gegen Abend führt unser Weg wieder bis nach Savigny-les-Beaune auf unseren Campingplatz. Nach einer dreiwöchigen Reise ist hier so quasi unser Abschiedsabend. Zum letzten Mal setzen wir den Grill in Betrieb, geniessen den schönen Sommerabend bevor wir am nächsten Morgen die Heimfahrt nach Bern antreten.
Das Klima in der Normandie und in der Bretagne
Das See- oder ozeanische Klima in der Normandie und der Bretagne ist geprägt durch den ausgleichenden Einfluss des Atlantiks. Im Sommer ist eigentlich nie zu heiss und im Winter nie zu kalt. Die Durchschnittstemperaturen für Arromanches-les-Bains zum Beispiel liegen im Januar bei 7 und im Juli bei 21 Grad Celsius. Die durchschnittlichen Regentage liegen im Januar bei 8 und im Juli bei 5 Tagen. Dadurch geniessen viele Kenner auch die ‚Winterzeit’ im Nordwesten Frankreichs.