Über 400 Wohnmobile bevölkern die Stadt und die Umgebung.
Als wir vor zwei Jahren über die Festtage nach Saintes-Maries-de-la-Mer fuhren, glaubte ich, wir seien auf dem Camping «La Brise» alleine. Ich verwunderte mich aber schon damals, dass der Platz extra von Mitte Dezember bis zum 6. Januar geöffnet ist. Ueber diese Festtage komme ich nicht mehr zum Staunen heraus. Alleine auf dem Camping «La Brise» sind über 400 Wohnmobile stationiert. Auf jeden Fall ist Saintes-Maries für die Weihnachszeit bei mir heute fest in der Planung verankert.
Die Fahrt via Genf, durchs Rhonetal in die Provence und zum Schluss in die Camargue verläuft sehr ruhig. Es hat kaum Verkehr, auf den Rastplätzen haben wir Platz zum Abwinken und kurz nach Mittagessen sind wir auch bereits in Saintes-Maries. Wir sind am 23. Dezember angekommen und können unseren Stellplatz noch auswählen. Doch das ändert sich mit dem Weihnachtstag und am Stephanstag ist der Camping «La Brise» zwar nicht ausgebucht, aber die schönen und sonnigen Plätze mit Strom und Wasser in der Nähe sind alle besetzt.
Waren vor zwei Jahren noch primär die Franzosen in Saintes-Maries anzutreffen, ist dieses Jahr halb Europa anwesend. Viele Schweizerinnen und Schweizer, die wir treffen, haben genug von Regenwetter und nur halbherzigem Winter und suchen hier Sonne, mildes Klima und Frühlingsgefühle.
Saintes-Maries begrüsst seine Gäste!
Und die Verantwortlichen der Hauptstadt der Camargue schätzen diese Wintertouristen so sehr, dass auch was geboten wird. Die Weihnachtshäuschen auf dem grossen Marktplatz bieten regionale Handwerksprodukte an, Kleider, Schmuck oder Accessoires warten auf Käufer und andere Stände machen mit Vins chaud, Austern oder Crêpes auf sich aufmerksam. Auf jeden Fall ist täglich bereits ab 10 Uhr was los. In der Altjahrswoche treiben die Gardiens (die französischen Cowboys) die Stiere in stolzer Formation durch die Hauptstrasse vor dem Hotel de Ville vorbei und im Coral gibt es Aufführungen der jungen Reiterinnen und Reiter, die gut und gerne in der Schweiz im Zirkus gezeigt werden können. Viele Zuschauer sind dabei, geniessen die warmen Sonnenstrahlen und erfreuen sich an den Vorführungen.
Natürlich ist der Besuch des Wochenmarktes auf dem Dorfplatz für uns Pflicht. Würste aus der Region, Gemüse, Schmuck, Uhren und Kleider werden verkauft und auch marokkanische Gewürze finden Abnehmer aus halb Europa.
Am Silvesterabend gibt es eine grosse «Son et lumière» Show. Für diesen Spektakel kommen mehr Besucher als Saintes-Maries eigentlich Platz hat.
Die Geschäfte und Läden in der autofreien Innenstadt sind alle geöffnet und ausser dem Eisstand sind auch alle Bistros und Restaurants offen und freuen sich auf hungrige Gäste.
Fischmenus erster Güte, Plats Royals mit Austern, Muscheln, Meerschnecken und anderen Meeresgetiere oder gegrillte Taureau-Grillfleisch Platten gehören zu den Spezialitäten der Restaurants der westlichsten Gemeinde des Départements Bouches-du-Rhone.
Erholsame Tage über Weihnachten
Wir haben dieses Jahr spezielles Glück: Neun Tage herrlicher Sonnenschein, nur einmal etwas zügiger Mistral, also Traumwetter um die Seele baumeln lassen. Die täglichen Spaziergänge vom Sonnenaufgang, über Mittag oder in die Abendsonne mögen alle zu begeistern. Unsere jungen Freunde, die sich Weihnachten am Meer nicht vorstellen konnten, sind hellbegeistert und am Schluss sogar etwas melancholisch, weil alles so schnell vorbei ist. Sie haben sich nicht gewagt, mit dem eigenen Wohnwagen zu kommen und haben im Mobilhome gewohnt, die es natürlich auf dem Campingplatz «La Brise» auch zu mieten gibt. Es gibt sogar einige, die auf ein Winterbad im Mittelmeer nicht verzichten. «Heiss hat es mir nicht gemacht,» meint Corina Liniger, «doch dieses Bad ist einmalig!»
Tolle Umgebung
Natürlich bietet die Camargue noch viel mehr als Meer und Saintes-Maries. Das Naturschutzgebiet, welches östlich an das Städtchen und direkt an den Camping grenzt, präsentiert Flamingos, wilde Stiere und geführte Pferdewanderungen. Die Nachbarstädte Aigues-Mortes oder Arles haben verschiedene baukulturelle Schätze zum Bestaunen oder in Arles hat es auch französische Einkaufszentren, die vorallem den weiblichen Reisenden sehr zusagen können…
Wallfahrtsort für Sinti, Roma und Jenische
Saintes-Maries-de-la-Mer ist Wallfahrtsort und Touristenmagnet im Sommer wie im Winter! Die kleine Stadt mit rund 2’800 Einwohnern lebt nicht nur im Sommer, ist keine Retortenstadt, die nur saisonal lebt, sondern ist 365 Tage im Jahr einen Besuch wert. Da zur Gemeinde weitläufige Naturschutzgebiete an der Rhonemündung gehören, hat sie bei einer Gesamtfläche von über 370 km2 auch für französische Verhältnisse eine geringe Bevölkerungsdichte.
Saintes-Maries wird geschichtlich erstmals im 4. Jahrhundert erwähnt. 542 geht die Kirche Saintes Maries (oder Notre-Dame) de la Barque an ein Kloster und im 14. Jahrhundert wird die Kirche Notre-Dame-de-la-Mer in eine Wehrkirche umgebaut. Angeblich Reliquien der beiden Heiligen Maria Kleopae und Maria Salome, welche 1448 gefunden wurden, führten zu einem speziellen Marienkult, der trotz zeitweilgen Verboten (während der französische Revolution) bis heute anhält. Heute finden jährlich zwei Wallfahrten am 24. und 25.Mai sowie im Herbst (Ende Oktober) statt.
Im Frühling treffen sich Roma, Sinti, Manouches und Jenische in Saintes Maries-de-la-Mer um ihrer Patronin , der Schwarzen Sara zu huldigen. Das kleine Städtchen wird zu dieser Zeit zu einem riesigen Wohnwagenlager. Die Pilger bereiten das religiöse Fest vor und organisieren den Ablauf für eine Woche.
Wie es Geheimtipps oft ergeht, wuchs die Stadt zwischen 1960 und 1999 von 680 auf ca. 2500 Einwohner an, und während der Sommermonate beherbergt sie ein Vielfaches davon. Inzwischen arbeitet in Saintes-Maries praktisch niemand mehr als Fischer oder Bauer, die Einwohner leben vom Tourismus. So erlebt Saintes-Maries-de-la-Mer gegenwärtig einen weiteren Ausbau der entsprechenden Infrastruktur, der das ursprüngliche Gesicht der Stadt nachhaltig verändert. Der östlich der Stadt angrenzende Naturschutzpark hat einen 25 kilometerlangen Fussweg bis nach Salin-de-Giraud.
Vincent van Gogh, der niederländische Maler holte sich in Saintes-Maries die Idee und die Skizzen für das später gefertigte Bild «Fischerboote am Strand von Saintes-Maries» und der Marquis Folco de Baroncelli-Javon, Viehhändler und Schriftsteller beeinflusste die Entwicklung des Städtchens sehr stark. Saintes-Maries gehört immer noch zu den nordöstlichen Ausläufern Katalaniens, zusammen mit Narbonne und Perpignan. Viele Namen, Ortsnamen und beim Essen Spezialitäten wie Paella zeugen von dieser Herkunft.
Text und Bilder: Max Riesen